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Cassandra Wilson - Photo: Frank Schindelbeck Jazzfotografie


Man stelle sich diese Sängerin in einem kleinem Jazzclub mit einer reduzierten, weniger perfekt aufeinander abgestimmten, Begleitung vor - das wäre verdammt nahe dran am idealen Konzert einer Jazzsängerin.

Cassandra Wilson füllt allerdings ganz ohne Probleme ein Haus wie das Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen und lockt damit weit über 1.000 Menschen zum Enjoy Jazz Konzert. Und nicht mitgezählt sind diejenigen, die mit langen Gesichtern vor dem Plakat mit dem Zettel "Ausverkauft" außen vor bleiben müssen.

Im großen Saal des Pfalzbaus geht in den hinteren und oberen Bereichen durch den großen Abstand zur Bühne leider viel von Cassandra Wilsons Auftritt verloren. Dort bleibt nur die Konzentration auf die Musik und die war ausgezeichnet und auch vom Mix der Band her sehr nahe an dem Sound, den man ihn von ihren immer exzellent produzierten Aufnahmen kennt. Das ist  für meinen Geschmack schon fast ein Hauch zu perfekt für ein Live-Konzert  - aber ich wiederhole mich...

Wenn man das Glück hatte, recht nah am Geschehen zu sein, konnte man mit Genuss die unglaubliche Bühnen-Präsenz von Cassandra genießen. Sie tänzelt über die Bühne, wiegt sich im Rhythmus ihrer Mitspieler, reagiert auf Akzente in der Musik mit kleinen Gesten, lässt sich komplett auf die Musik ein und geht ganz darin auf. Dieses köperbetonte Mitfühlen, die äußerst kommunikative Art mit ihren Mitmusikern umzugehen, ihnen Freiraum zu lassen, sie anzufeuern aber auch ihre Unterstüztung zu genießen - es ist besonderes Erlebnis, das live zu erleben und ich war tatsächlich schwer beeindruckt.

Beeindruckt ich ich schon lange von Cassandra Wilsons Gesang - sie hat derzeit weit und breit die prägnanteste Jazz-Stimme und ihr gelingt es mit ihrem sehr persönlichen Stil jeder Art von Song sofort ihren Stempel aufzudrücken. Das zeichnet Jazzsängerinnen schon seit den Zeiten von Billie Holiday aus: sie erheben die trivialsten Songs auf ein anderes Level und veredeln sie zu kleinen Meisterwerken. Zu hören war das beispielsweise mit "Till There Was You" von den Beatles oder "Harvest Moon" von Neil Young.

Was Cassandra Wilson auch kann – und das sollte sich ansonsten bitte der Großteil der derzeit hippen Jazzsängerinnen tunlichst verkneifen – ist, einen Song wie "Strange Fruit" zu interpretieren, in dem es um Lynchmorde an Schwarzen im Amerika der 30er Jahre geht. Sie tat es in Ludwigshafen nicht, es hätte nicht ins eher fröhliche Programm gepasst, aber sie kann es, weil sie damit glaubwürdig wirkt und man ihr das Erbe der schwarzen Lebenssituation abnimmt und sie hörbar in der schwarzen Musiktradition des Jazz der vergangenen 100 Jahre steht.

Erfreulicherweise hielt sie sich aber nicht nur mit Coverversionen von Pop-Songs auf. Es stand vor allem Musik mit afroamerikanischen Wurzeln auf dem Programm,  bis hin zum afrikanischen (Wiegen?) Lied. Blues getränkt war das und nah dran, an den Mississippi Wurzeln, wie es schon auf einer ihrer letzten CDs „Belly Of The Sun“ zu hören ist.

Cassandra Wilson ist gewiss nicht eine so komplette Sängerin, wie es eine Ella Fitzgerald war, eher entspricht sie vom Typ her Billie Holiday. Es kommt nicht auf eine blitzende Technik oder ein möglichst variable und perfekte Stimme an. Sie hat das, was schon immer die großen Jazzmusiker definiert hat: den unverwechselbaren Stil.

Einzigartig zelebrierte Casssandra Wilson die Magie der afro-amerikanischen Musik auf der Bühne im Pfalzbau und das Publikum war dankbar. Es nahm auch ohne großes Murren hin, dass nach nur einer stürmisch geforderten Zugabe das Licht angedreht und mit Lautsprecher-Musik das Konzert unmissverständlich beendet wurde. Ist eben kein kleiner Jazzclub in dem die Session endlos hätte weiterspielen dürfen…

Cassandra Wilson bei Enjoy Jazz in Ludwigshafen

Fotos des Cassandra Wilson Auftritts von Manfred Rinderspacher und
Herrn Schindelbeck finden sich natürlich wieder auf der
Enjoy Jazz Webradio Website
bei den Jazzpages.
More photographies of the concert at the 
Enjoy Jazz Webradio Website.